Die Wirtschaft kämpft mit einem neuen Phänomen. Zwar befinden sich die meisten westlichen Länder aktuell nicht in einer Rezession, die Verbraucherstimmung ist trotzdem schlecht. Dabei lassen die Wirtschaftsdaten keine Gründe für die miese Laune erkennen.
Die Konsumflaute wirbelt die Börse durcheinander
Weltweit verdirbt die hartnäckige Inflation die Kauflaune. Die Börse hat das längst bemerkt und bewertet Burritos höher als BMW. Ein Kommentar.
Vor allem in den USA ist die Lage ziemlich gut: Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit bleibt nahe Rekordtiefs und die Löhne steigen kräftig. Üppige 3,4 Prozent betrug das inflationsbereinigte Wirtschaftswachstum im Schlussquartal des letzten Jahres. Im ersten Quartal 2024 lag das Wachstum immerhin noch bei 1,3 Prozent. In Amerika hat man nun einen Begriff für den überraschenden Kontrast zwischen Datenstand und Stimmungslage kreiert: die Vibecession.
Viele Konsumenten fühlen sich wie in einer Rezession – bekommen schlechte „Vibes“ – und handeln zunehmend entsprechend. Laut einer kürzlichen Umfrage sparen deutsche Verbraucher aktuell vor allem bei Bekleidung und Restaurantbesuchen. Sie legen so viel Geld auf die hohe Kante wie zuletzt vor 16 Jahren, weil sich ihre finanzielle Lage für sie angespannt und unsicher anfühlt. Gespart wird dann häufig für einen Urlaub. Auf Reisen wollen viele als Letztes verzichten. Zu wichtig ist der Tapetenwechsel, zu lange hat die Coronapandemie den Bewegungsfreiraum eingeschränkt.
Auch den amerikanischen Verbrauchern geht langsam die Kauflaune verloren. Lange Zeit wirkten deren Taschen unendlich tief, immer wieder haben sie die US-Wirtschaft gestützt. Aber auch dort kippt nun die Stimmung. Die Inflation ist hartnäckig und die Rücklagen, die sich während der Pandemie angehäuft hatten, sind langsam aufgezehrt. Gemäß einer neuen Umfrage glauben drei von fünf Amerikanern, dass sich ihr Land in einer Rezession befindet.
Die Verbraucher arbeiten an einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Die schlechte Stimmung verändert das Verhalten und die Börse hat es längst mitbekommen. Der Aktienindex MSCI World Consumer Discretionary, der bei reger Nachfrage nach Konsumgütern profitiert, schwächelt mächtig. In den letzten drei Jahren trat er auf der Stelle, während der breite Aktienmarkt kräftig anzog. Dieses Jahr hat der Index bisher nur ein Fünftel der Rendite des breiten Markts abgeworfen. Das ist ungewöhnlich, denn über lange Zeiträume hat der Index Anlegern eine kleine Überrendite beschert.
Auch an einzelnen Aktien lässt sich die Misere ablesen. Die Aktien in unseren Musterportfolios beweisen, dass aktuell nur der Tourismus verschont bleibt (siehe Grafik). Auf den teuren Starbucks-Kaffee lässt sich einfach verzichten. Die Umsatzzahlen enttäuschen und die Aktie ist abgestürzt.
Auch außerhalb unserer Musterportfolios lässt sich der Trend nachvollziehen. Getrunken und gegessen wird natürlich weiterhin – aber lieber daheim und lieber günstig. Die Aktie der preisgünstigen Supermarktkette Walmart etwa notiert nahe Allzeithochs, liegt im vergangenen Jahr 34 Prozent im Plus. Die Fast-Food-Kette Chipotle Mexican Grill lockt mit fairen Preisen, die Aktie stieg zuletzt kräftig. Das Unternehmen ist nun fast 80 Milliarden Euro wert, rund ein Drittel mehr als BMW.
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